Als die „Sozialistische Jugend“ Mattersburg im April 1946 Johann Nestroys Zauberposse „Lumpazivagabundus“ aufführte, „gab es unter den begeisterten Spielern solche, die nicht ein Stück Brot zum Abendessen hatten, nicht einmal eine Suppe. Aber sie spielten und unterhielten und brachten gar manchen vollen Bauch zum Lachen,“ stand in der „Burgenländischen Freiheit“, der Wochenzeitung der SPÖ Burgenland, zu lesen.
Mit Kriegsende begannen die (Jugend-)Vereine im wiedererrichteten Burgenland trotz der desaströsen wirtschaftlichen Verhältnisse wieder mit dem Theaterspielen. „Nach den vielen Bauerntheatern mit ihren läppischen Witzen und den ausrangierten, berühmten ‚Filmschauspielern‘ […], konnte man endlich wieder sehen, wie wahre Kunst wirken soll. Sie muß unseren Sinn aus den Niederungen des Lebens erheben und nicht noch tiefer hinabziehen,“ so das „Burgenländische Volksblatt“, die Wochenzeitung der ÖVP Burgenland, zu einer Aufführung der Eisenstädter Theatergruppe der „Österreichischen Jugendbewegung“ (heute „Junge ÖVP“) von Hugo von Hoffmannsthals „Jedermann“ im Jahr 1947.
Theatergruppe des Burgenländischen Volksbildungswerkes, Ortsgruppe Poppendorf, um 1950 (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)
Szenenfoto aus „Falsch verbunden“ von Jutta Treiber, 1977 im Kinosaal Oberpullendorf (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)
Qualitätvolle Stücke, die ohne derbe Zoten auskommen, und theaterpraktisches Können zu vermitteln, um das künstlerische Niveau zu heben, das war nach dem Krieg Anliegen burgenländischer Kulturpolitiker und „Volksbildner“. So übernahm Franz Probst (1919-1993) – Politiker und Publizist der SPÖ Burgenland – im 1945 gegründeten „Burgenländischen Volksbildungswerk“ das neu eingerichtete Referat für Laienspiel und gab eigene und von weiteren burgenländischen Autor:innen verfasste Stücke für Amateurtheatergruppen heraus. Insgesamt aber bleib das Amateurtheater dem Vereinstheater der Zwischenkriegszeit verhaftet. Die Erwartungshaltung des Publikums war die gleiche geblieben und an dessen Geschmack vorbeizuspielen, das wollte und konnte kaum eine Gruppe.
Der wirtschaftliche Aufschwung, der Strukturwandel in der Landwirtschaft, der Zerfall dörflicher Gemeinschafen sowie ein vermehrtes Unterhaltungsgebot – so gab es 1957 im Burgenland 94 Lichtspieltheater, in Vorarlberg zum Vergleich 15 Kinos –, später dann der Einzug von Fernsehgeräten in die Haushalte bis hin zum Siegeszug der heutigen sozialen Medien bewirkten nach und nach einen Rückgang der Anzahl von Amateurtheatergruppen.
Nach einer Recherche von Heinz Hauer, Schriftführer des 2023 gegründeten Landesverbandes für außerberufliches Theater „Theater im Burgenland“, dürfte es aktuell etwas mehr als 50 Gruppen geben. 22 davon sind derzeit Mitglieder des Landesverbandes. In weiteren zehn Ortschaften lassen sich via Regionalmedien ebenfalls „theatralische“ Aktivitäten festmachen. In alphabetischer Reihenfolge sind das:
Szenenfoto aus „Emil für Dich“, Theatergruppe Rechnitz 2018 (Foto: meinBezirk.at/Michael Strini)
Bad Tatzmannsdorf – die Theatergruppe im Kurort nennt sich „Kurbühne“ und besteht seit 1981. www.kurbuehne-badtatzmannsdorf.at
Litzelsdorf – die Gruppe tritt als „Dorftheater“ auf und hat erstmals 2008 vor Publikum gespielt. www.dorftheater-litzelsdorf.at
Loipersdorf-Kitzladen – der „Heimat- und Kulturverein“ wurde 2009 gegründet und macht auch Theater. www.heikuloki.at
Markt St. Martin – die Theatergruppe besteht seit den 1970er Jahren und ist auf Facebook vertreten.
Mönchhof – anfangs, ab 2000, wurde im alten Kinosaal des „Dorfmuseums Mönchhof“ gespielt, 2023 ist man im Gemeindezentrum aufgetreten. www.theatergruppemoenchhof.at
Nickelsdorf – Mitglieder des 2003 gegründeten Vereins „Kugel“ spielen seit 2012 Theater. www.kugelverein.at
Pinkafeld – die Gruppe macht Straßentheater, spielt also im Freien, nennt sich nach einer legendären Räuberbande „Stradafiassler“ und ist auf Facebook vertreten.
Purbach – die Theatergruppe namens „Die Findelkinder“ gibt es seit 1978 und ist auch auf Facebook zu finden.
Rechnitz – ihren bisher letzten Auftritt hatte die Theatergruppe im Juli 2023, eine Homepage wird gerade aufgebaut.
Riedlingsdorf – der Theaterverein entstand 1995, nachdem für den Brauch des Blochziehens Darsteller gesucht worden waren. www.theater-riedlingsdorf.at
Rohrbach bei Mattersburg – mit dem Theaterspielen wurde 1979 begonnen, der Verein wurde 1981 gegründet. www.theaterrohrbach.jimdofree.com
Szenenfoto aus „Die Stepphühner“, Theaterverein Riedlingsdorf 2023 (Foto: meinBezirk.at/Michael Strini)