Der Bezirksvorort Güssing konnte bisher als Hochburg für Amateurtheater gelten. Nun aber sind die Jahrzehnte hindurch gezeigten Freilicht-Aufführungen mit Laiendarsteller:innen im Hof und am Fuß der Burg zu Ende gegangen. Nur die älteste der Güssinger (Musik-)Theater-Initiativen setzt ihre Erfolgsgeschichte wie gewohnt fort.
Tribüne für die Aufführungen des Güssinger Kultursommers im Hof der Burg (Foto: Güssinger Kultursommer)
Ensemble von Musical Güssing, Aufnahme aus 2015 (Foto: Rainer Riedl)
Mit seiner Eröffnung im August 1977 ist das Kulturzentrum Güssing das nach Mattersburg zweitälteste eigens errichtete Kulturhaus des Landes. Die damals neuen bühnentechnischen Möglichkeiten des Hauses war für die vom Pädagogen Josef Naray initiierte Kulturvereinigung Güssing Anreiz, zunächst eigene Kabarettnummern zu schreiben und erstmals in der Faschingszeit 1984 aufzuführen. Zehn Jahre später kamen Musicalproduktionen dazu, 2010 übernahm Regisseurin und Produktionsleiterin Marianne Resetarits auch den Vorsitz des nun „Musical Güssing“ genannten Vereins. Dessen Programmatik: „Musical Güssing lockt nicht nur Menschen aus der Umgebung ins Theater – die meisten Mitwirkenden [Profis und Amateure] vor, hinter und neben der Bühne stammen aus der Region Südburgenland. Dabei ist Musical Güssing die Förderung von Talenten und des Miteinanders über Vereine, Alter und Landesgrenzen hinaus ein wichtiges Anliegen.“
Marianne Resetarits inszeniert aber nur Musicals – mit Erwachsenen und für Erwachsene sowie in der Reihe „Musical Kids“ auch mit Kindern für Familien –, sondern nach wie vor auch Kabarettabende und Konzerte. Spielstätte für die Musicals ist seit 2020 der Hof der Burg Güssing, wo 2023 mit „Kinky-Boots“ mit den Songs von Cindy Lauper eine österreichische Erstaufführung gefeiert wurde. 2024 steht „Anatevka“ auf dem Spielplan. Das Kulturzentrum Güssing wird nach rund 45 Jahren seines Bestehens einer umfassenden Generalsanierung unterzogen, eine Fertigstellung wurde für Ende 2025 ins Auge gefasst. Neben dem bestehenden Gebäude ist eine Outdoor-Bühne samt Arena für Open-Air-Aufführungen geplant. Nach seiner Fertigstellung wird das Kulturzentrum den Namen des 2022 verstorbenen Frank Hoffmann tragen.
Der Erfolg der Landesausstellung „Die Ritter“ 1990 auf der Burg und die dafür geschaffene Infrastruktur beflügelte in Güssing den Wunsch, Burgspiele abzuhalten und an die Amateurtheater-Tradition der 1950er Jahre anzuschließen. Die damalige Kultur-Stadträtin Hildegard Koller wurde Obfrau des Burgvereins Güssing und sorgte gemeinsam mit ihrem Mann Heinz Koller – erstmals für den Sommer 1994 – für Aufführungen von Stücken zu lokalen historischen Themen.
Wendepunkt war dann die Wahl des Stückes für den Sommer 2005. Frank Hoffmann (1938-2022), damals seit sechs Jahren Regisseur der Burgspiele, war strikt gegen Josef Otto Lämmels (1891-1980) im „Anschluss“-Jahr 1938 geschriebenes Stück „Ich Andreas Baumkircher“. Die Folge: Frank Hoffmann wurde Herr über das Theater auf der Burg, die Burgspiele behielten ihren Namen, fanden seit 2006 aber auf der „Festwiese“ am Fuß der Burg statt. In ihrem Spielplan waren sie nicht mehr an ein Lokalkolorit gebunden. Mehr als ein Jahrzehnt lang bearbeitete und inszenierte die Zirkusartistin und Musikerin Sabine James, die in Paris lebende Tochter des Ehepaares Koller, Stücke internationaler Autoren und stemmte alljährlich eine Produktion mit erwachsenen Amateurspieler:innen sowie eine zweite mit einem Jugendensemble.
Im Sommer 2023, im 30. Jahr der Burgspiele, zeigte das Jugendensemble „Die Schöne und das Biest“ und mit den Erwachsenen brachte Sabine James den „Großen Houdini“ auf die Bühne. Mit diesen beiden Stücken ist eine Ära zu Ende gegangen. „Nach 30 Jahren soll für die Kollers Schluss sein, auch auf Grund des Alters meines Mannes und meines eigenen,“ sagte Hildegard Koller in einem Telefonat Ende September 2023, „und es hat sich bisher auch niemand gefunden, der die Verantwortung für den Burgverein Güssing und die Aufführungen übernehmen möchte.“
Inszenierung von „Aladdin und die Wunderlampe“ mit dem Jugendensemble 2014 (Foto: Burgspiele Güssing/Picasa)
Landeshauptmann Hans Peter Doszkozil, Andreas Vitásek und der Güssinger Bürgermeister Vinzenz Knor bei der Präsentation des Kabarettisten als neuer Intendant. (Foto: Landesmedienservice Burgenland)
Burgschauspieler, Moderator und Jazzfan Frank Hoffmann (1938-2022) wirkte auf Initiative des Burgvereins ab 1999 bei den Amateurtheateraufführungen auf Burg Güssing als Regisseur, schuf sich einen (Sommer-) Wohnsitz in Großmürbisch, gründete 2001 den Güssinger Kultursommer und organisierte an verschiedenen südburgenländischen Spielstätten Konzerte, u. a. mit Joe Zawinul oder Toni Stricker. Infolge des Zerwürfnisses mit dem Burgverein übernahm er 2006 die Amateurtheateraufführungen im Hof der Burg Güssing. Mit langjährigen Amateur- „Burgspieler:innen“ wie Manfred Semler und Otto Konrath inszenierte er Sommertheater-Klassiker von Shakespeare bis Nestroy und Boulevard-Komödien.
Hoffmanns Tod mit 83 Jahren im Sommer 2022 löste große Betroffenheit aus. Schon bisher in die Organisation der Kultur-Betriebe Burgenland eingebunden, die ja auch das laufende (professionelle) Theater- und Kabarett-Programm im Kulturzentrum betreuen, fanden 2023 im Rahmen des Güssinger Kultursommers drei Konzerte unter dem Motto „In Memoriam Frank Hoffmann“ statt.
Im Juli 2023 verkündete Landeshauptmann Hans Peter Doskozil das Engagement des Schauspielers, Regisseurs, Kabarettisten und Wahlsüdburgenländers Andreas Vitásek als neuen künstlerischen Leiter des Kultursommers. Der persönliche Wunschkandidat Frank Hoffmanns bei seiner Vorstellung: „Die nächsten Jahre bis zur Fertigstellung des Kulturzentrums werden eine Übergangsphase sein, wo ich mit einem Schwerpunkt Satire und Kabarett beginnen möchte, der sich auch langfristig etablieren soll.“