Angaben, wonach die Opernaufführungen im Steinbruch St. Margarethen auf eine Anregung von „Opernführer“ Marcel Prawy (1911-2003) zurückgehen, sind der Kategorie „Gründungsmythos“ zuzurechnen. Tatsächlich war es der Podersdorfer Bühnenbildner und Regisseur Manfred Waba, der als erster die Möglichkeiten erkannte, die der stillgelegte Teil des Steinbruchs als stimmungsvolle Kulisse für Konzerte und Opern bietet. Das im Eigentum von Esterházy stehende Gelände ist seit 1961 Bühne für die Passionsspiele St. Margarethen und wurde für Jahrzehnte vom Passionsspiel-Verein auch verwaltet. Manfred Waba gelang es, die Zustimmung des Vereinsvorstandes für Konzerte mit den „Bolschoi Don Kosaken“ im Steinbruch zu gewinnen. Wabas Argument: „Die Kosaken singen eh auch Sakrales!“ Ihre Auftritte würden daher in den Rahmen einer Spielstätte passen, die der Verkündigung des christlichen Glaubens gewidmet ist.
Inszenierung von Verdis „Aida“ bei den Opernfestspielen 2014 (Foto: Sammlung Manfred Waba)
Marcel Prawy, Wolfgang Werner und Manfred Waba 2000 (Foto: Sammlung Manfred Waba)
1991 gaben die Don Kosaken ihr erstes Konzert im Steinbruch. Ihre Interpretation des weltberühmten Chorliedes aus „Nabucco“ „Va, pensiero“ trug dann dazu bei, dass der Musikmanager Wolfgang Werner Wabas Anregung nachkam, die Verdi-Oper im Steinbruch zu produzieren. 1996 war es soweit, die Opernfestspiele St. Margarethen konnten beginnen. Werner gilt zu Recht als deren Gründer, so Waba, denn er selbst hätte die Aufführungen finanziell nicht realisieren können. „Er war der Geschäftsmann, ich der Phantast.“ Mit der zweiten Produktion der Opernfestspiele, Verdis „Aida“ 1997, kam dann auch Marcel Prawy ins Spiel. Prawy stimmte zu, die Opernfestspiele fachlich zu beraten und für das Publikum im Steinbruch den „Opernführer“ zu geben.
Die Opernaufführungen im Steinbruch gediehen und florierten. Die Bühnenbilder Manfred Wabas wurden von Jahr zu Jahr aufwändiger, die Sitzplätze auf mehr als 4.700 erweitert, die Publikumszahlen erreichten Spitzenwerte von 298.000 Gästen, das Repertoire orientierte sich immer wieder an Opern-Hits von Verdi, Puccini und Bizet.
2014 aber musste Wolfgang Werner Insolvenz anmelden. Die vom Grundeigentümer, der Esterházy Privatstiftung, gegründete „Arenaria GmbH“ übernahm und bestellte 2019 den Sohn des langjährigen Intendanten der Seefestspiele Harald Serafin, Daniel Serafin, zum künstlerischen Direktor des nun „Oper im Steinbruch“ genannten Unternehmens. Das Repertoire stützt sich auch unter Intendant Serafin auf populäre Werke der Opernliteratur. Bizets „Carmen“ 2023 wurde nach Angaben des Veranstalters von 90.000 Menschen besucht, 2024 wird, wie schon 1997, 2004 und 2014, Verdis „Aida“ gezeigt. Waren es 2004 noch dressierte Elefanten aus Fleisch und Blut, so wird 2024 ein überdimensionaler goldener Elefant aus Stahl und Holz über die Bühne stapfen.
Auch die Konzertabende mit internationalen Musik-Stars finden nach wie vor statt. Kinderoper in einem Nebensteinbruch gibt es nicht mehr, dieses Areal ist nun Schauplatz der alle fünf Jahre stattfindenden Passionsspiele, den traditionsreichsten aller Freilichtaufführungen im Steinbruch.
Szenenfoto aus „Carmen“ 2023 (Foto: Jerzy Bin)
Modell des Bühnenbildes für die „Aida“-Produktion 2024 (Foto: Andreas Hafenscher)