Die Zugehörigen der hierzulande seit Jahrhunderten beheimateten Volksgruppe der Ungarn leben traditionell auf „Sprachinseln“ in Oberpullendorf/Felsőpulya, Mitterpullendorf/Középpulya, Oberwart/Felsőőr, Siget in der Wart/Őrisziget und Unterwart/Alsóőr. Zur Unterhaltung in Ungarisch Theater gespielt wurde in all diesen Ortschaften. Mittlerweile soll mit Theater, ähnlich wie bei den Burgenlandkroaten, nicht nur die Geselligkeit, sondern auch die Pflege der Erstsprache gefördert werden.
Nach wie vor aktiv sind Amateurtheatergruppen in Ober- und in Unterwart, aus diesen beiden – nur fünf Kilometer voneinander entfernten – Gemeinden gibt es auch frühe Belege für ein örtliches Theaterleben.
Die Theatergruppe des Reformierten Lesevereins Oberwart, 1984 (Foto: Sammlung Emmerich Gyenge jun.)
Theatergruppe Unterwart 1920, Reihe Mitte 2. von rechts: Pfarrer Johannes Horváth
Schon bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, im Dezember 1919, rief Pfarrer Jànos/Johannes Horváth den Gesangsverein „Dalárda“/Sängerbund ins (Dorf-)Leben. Die Theaterbegeisterten unter den Gesangsvereinsmitgliedern traten bereits 1920 unter der Regie des Lehrers József/Josef Zala mit je zwei Stücken zu Ostern und zu Weihnachten auf. In Unterwart/ Alsóőr fanden sich auch in der Folge theaterbegeisterte Darsteller:innen, nicht nur im Sängerbund, sondern auch bei der Ortsfeuerwehr sowie Einheimische, die die Aufführungen besucht und sich gerne unterhalten haben lassen.
Seit im Frühjahr 1982 der Ungarische Theaterverein gegründet worden ist, wird in Unterwart/Alsóőr auf Basis eines eigenen Vereins mit zugehörigen Statuten Theater gemacht. Zunächst wurde eine Bühne angeschafft und das Stück„A kintornás család“ / „Die Drehorgelfamilie“ aufgeführt. Seither lud der Theaterverein so gut wie jedes Jahr, derzeit also mehr als 40 Jahre (!) hindurch, zu einer Aufführung. Inzwischen fungiert er als „Zweisprachiger Theaterverein und Kulturkreis Unterwart“ und ist Mitglied im Burgenländisch-Ungarischen Kulturverein (BUKV) mit Sitz in Oberwart sowie des 2023 gegründeten Landesverbandes für außerberufliches Theater. Und damit die Tradition nicht abreißt, wurde bisher im Rahmen von zwei sommerlichen Theaterworkshops Kindern auf spielerische Weise Rüstzeug zum Theaterspielen vermittelt. „Eine wichtige Message, die die jungen Teilnehmer auf den Weg mitbekommen haben, war, dass das Herz das wichtigste Körperteil in der Schauspielerei ist. Denn ohne Herz und Seele ist es unmöglich eine Rolle zu spielen!”, so der Musikpädagoge und Leiter des Workshops Márton Ilyés.
Der Bezirksvorort Oberwart/ Felsőőr/ Borta/ Erba zeichnet sich durch Multiethnizität ebenso aus wie durch religiöse Vielfalt. Einer der zwei evangelischen Kirchengemeinden der Stadt ist auch der älteste Verein Oberwarts zuzurechnen: der „Leseverein der reformierten Jugend Oberwart“. 1889 gegründet, bereicherten Angehörige der – in Oberwart seit 1773 existierenden – Reformierten Kirchengemeinde (Evangelische Kirche H.B.) mit dem inzwischen legendären „Oberwarter Opernball“ und Theateraufführungen das gesellige und kulturelle Leben der Stadt.
1921 übersiedelte Tibor Farsky aus Ungarn ins neugeschaffene Bundesland Burgenland und übernahm die Leitung der Theatergruppe des „Lesevereins der reformierten Jugend“. Farsky setzte auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges seine Tätigkeit fort und studierte beispielsweise 1945 anlässlich seines 25-Jahr-Jubiläum als Spielleiter das Volksstück „Felhö Klári“/ „Klara Felhö“ ein.
Exakt dieses Stück wurde 1983, also fast vier Jahrzehnte später, wieder in Oberwart aufgeführt. Damals unter der Ägide und Regie des langjährigen Pfarrers der Reformierten Kirchengemeinde Dr. Imre/Emmerich Gyenge (1925-1996), der es sich seit den 1960er Jahren zur Aufgabe gemacht hatte, die Amateurtheater-Tradition des „reformierten Lesevereins“ wiederzubeleben. Eine Obliegenheit, der er sich bis zu seinem Tod widmete und in der ihn seine Frau Edith Gyenge (1923-2021) unterstützte und die von ihr weitergeführt worden ist. Edith Gyenge war es auch, die 1979 in einem Gespräch darauf hinwies, dass die Spielleiter der ungarischsprachigen Aufführungen in den 1920er und 1930er Jahren den großen Fehler gemacht hätten, sich um ungarische Hochsprache als Bühnensprache bemüht zu haben. Damit sei die Verwendung des Dialekts, den die Oberwarter Ungarn sprechen, zurückgedrängt worden und auf längere Sicht das Ungarische insgesamt, so Edith Gyenge 1979.
Nach einer langjährigen, auch durch die Corona-Pandemie bedingten, Zwangspause ist der nach wie vor bestehende „Leseverein der reformierten Jugend“ im März 2023 wieder auf „Bühnenbrettern“ gestanden und gab einen „Tévedések Éjszakája“ / einen „Abend voller Missverständnisse“ mit vier Sketches in ungarischer Sprache zum Besten. Damit konnte an die Tradition eines Vereins angeschlossen werden, der derzeit seit rund fünf Generationen besteht und dem inzwischen nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene die Treue halten.
Theatergruppe Oberwart 1929 (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)
Szenenfoto aus „Ein Abend voller Missverständnisse“ des „Lesevereins der Reformierten Jugend Oberwart“, März 2023 (Foto: meinbezirk.at/Peter Seper)