Begonnen hat´s mit einem schlicht „Seespiele Mörbisch“ genannten Unternehmen, dessen Absicht „nicht glänzender Aufwand und eine Heerschar großer Namen, sondern wirklich die unmittelbare Verbundenheit des Spiels und der Landschaft“ sein sollte, wie der erste Intendant, der damals 50-jährige Kammersänger Herbert Alsen (1906-1978), anlässlich der ersten Saison 1957 verkündete. Bald danach firmierten die Operetten-Aufführungen auf der auf Piloten errichteten Bühne als „Seefestspiele“. Der Bau einer Dammstraße, eines Strandbades und einer Bühne am Mörbischer Gestade des Neusiedler Sees wurde schon vor dem Abschluss des Staatsvertrages in Angriff genommen, vom „Fremdenverkehrsverband“ unter SPÖ-Landesrat Hans Bögl federführend finanziert und erfolgte vor allem aus touristischen Überlegungen. Kurz gesagt: Man hatte das Vorbild der seit 1946 am Bodensee stattfindenden „Bregenzer Festspiele“ vor Auge.
Jahrzehnte später steht über die Bühne in Bregenz geschrieben, sie sei die „größte Seebühne der Welt“, über jene im Burgenland, es handle sich um „die größte Open-Air-Bühne der Welt“. Wie auch immer – beide Unternehmen haben die in sie gesetzten Erwartungen als Tourismus-Magnete tadellos erfüllt, wobei zur Popularität auch die – an beiden Seen – aufwändigen Bühnenbilder beitragen dürften.
Seebühne Mörbisch 1957, Kulisse für die Aufführungen der Strauß-Operette „Der Zigeunerbaron“ (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)
Seebühne Mörbisch 1985, Robert Jungbluth, Theodor Kery und Hans Sipötz in der Kulisse für „Im weißen Rössl“ (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)
Zurück an den Anfang: Herbert Alsen, aus Hildesheim stammender Bassist an der Wiener Staatsoper, der auch in Eisenstadt aufgetreten war, fühlte sich von der „einmaligen Atmosphäre des großen Steppensees mit seiner ihn umgebenden Schilflandschaft“ dazu animiert, hier „eine Heimstätte der österreichischen Operette mit ungarischem Kolorit zu schaffen“. „Der Zigeunerbaron“ war die erste dieser „Puszta-Operetten“, die – nahe am damaligen „Eisernen Vorhang“ zwischen Österreich und Ungarn – im ersten Jahr der Seespiele, im Juni 1957, sechsmal aufgeführt worden ist, wobei zwei der geplanten Vorstellungen wegen Regens ausgefallen sind. Der Erfolg war so groß, dass „dessen Echo sogar in der amerikanischen Presse aufschien“, war in der „Burgenländischen Freiheit“ zu lesen. Neben dem „Zigeunerbaron“ zählen zwei weitere „Puszta- Operetten“, „Die Csardasfürstin“ und „Gräfin Mariza“, bis heute zu den auf der Seebühne meist gespielten Stücken.
Alsen übernahm als Chef der 1959 geschaffenen „Burgenländischen Festspiele“ zusätzlich zur Intendanz in Mörbisch auch jene der Grillparzer-Spiele in Forchtenstein. Nach seinem Tod 1987 folgten Burgschauspieler Fred Liewehr (1909-1993) und der Publizist Hellmut Andics (1922-1998) als Doppelintendanten, 1981 wurde Franziska Schurli (1909-1984), bisherige Geschäftsführerin der Festspiele zur Chefin. Schon Schurli stellte Überlegungen an, das Repertoire der damals seit 25 Jahren bestehenden Operetten-Bühne um Musicals zu erweitern. Tatsächlich verlassen aber wurde der Pfad der Inszenierungen klassischer Operetten auf der Seebühne erst Jahrzehnte später mit Intendant Alfons Haider.
Schurlis 1984 bestellter Nachfolger Heinrich Mayer agierte in Mörbisch als Geschäftsführer der „Teletheater GesmbH.“, die eng mit dem damaligen Generalsekretär des Bundestheaterverbandes Robert Jungbluth (1928-2009) verflochten war. Der „Teletheater GesmbH“ wurden finanzielle Malversationen vorgeworfen, die Gesellschaft liquidiert und Mayer 1990 vom damaligen Intendanten der Schloss-Spiele Kobersdorf Rudolf Buczolich (1934-2015) abgelöst. Buczolich wagte sich als bisher einziger Mörbisch-Chef an eine Uraufführung. „Sissi & Romy“, ein Musical von Roland Baumgartner über Kaiserin Elisabeth, wurde 1991 auf der Seebühne gezeigt, fiel durch und Buczolich 1993 von Harald Serafin abgelöst.
Seebühne Mörbisch 1992, Szenenfoto aus „Der Zigeunerbaron“ im Bühnenbild von Gottfried Kumpf (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)
Seebühne Mörbisch 1999, Harald Serafin, Dietmar Posteiner und Gerda und Helmut Bieler vor der Kulisse für „Eine Nacht in Venedig“ (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)
Serafin, mit einer Amtszeit von 20 Jahren der bisher längst dienende Mörbisch-Intendant, führte die Seefestspiele in bisher nicht gekannte lichte Höhen, sowohl in Bezug auf die Zuschauerzahlen mit bis zu 220.000 Gästen als auch mit einer Erweiterung/Erhöhung der Zuschauertribüne auf 6.200 Plätze sowie vieler anderer baulicher und kräftig „die Werbetrommel rührender“ Maßnahmen. Oft selbst auf der Seebühne mitspielend und davor mit seinen Begrüßungsansprachen anwesende Polit-Prominenz aufs Korn nehmend, nahm Serafin mit 80 Lebensjahren Abschied von einer wichtigen, beileibe aber nicht der einzigen Epoche seiner Karriere.
2013 trat die deutsche Sopranistin Dagmar Schellenberger in Serafins große Fußstapfen und hielt sich bis 2017. Ihrem Nachfolger, dem Wiener Bariton Peter Edelmann, wurde 2020 mit dem Wiener Schauspieler, Moderator und Entertainer Alfons Haider in der neu geschaffenen Position eines Generalmusikintendanten der Kultur-Betriebe Burgenland ein Nachfolger zur Seite, bzw. vor- gestellt, während Edelmanns Vertrag noch gültig gewesen ist. Und Haider gewann auch das Match Musical versus Operette. Edelmann wollte 2022 Franz Lehárs „Lustige Witwe“ auf die Bühne bringen, Haider setzte sich aber mit dem Musical „The King and I“ durch. 2023 konnte er mit „Mamma Mia!“ im Rahmen von 30 Vorstellungen nach eigenen Angaben 180.890 Menschen zu den Seefestspielen locken. 2024 soll mit „My Fair Lady – Das Musical“ eine zeitgemäße Version des Stückes gezeigt werden, die in London im Jahr 2020 spielt.
Operette zeigt Generalintendant Haider nun auf Schloss Tabor, auf der Seebühne hat sich der schon unter Serafin kreierte Slogan „Let´s Mörbisch“ zu „Wir geben dem See eine Bühne“ gewandelt. Mit derzeit 30 Jahren „Dienstältester“ an der Spitze der Seefestspiele ist Dietmar Posteiner. Der Kulturmanager aus Siegendorf kam 1993 als Geschäftsführer mit Serafin nach Mörbisch und hat nun die Position eines Festspieldirektors inne.